Dienstag, 12. Juni 2012

Traumzeit-Geschichten

Nachdem das Jazzfestival vorbei ist, werden jetzt im Rahmen von "Licht im Winter" mittags die Geschichten der Aborigine aus der Gegend am Lagerfeuer erzählt. Dort angekommen, fand ich allerdings einen Haufen Menschen in rot-blau-schwarz mit Dämonenhörnchen und "Melbourne Demon"-Schals - irgendeine Presseveranstaltung der Australian Football League (es lässt sich schlecht beschreiben, deshalb habe ich es gefilmt: geradezu ist das Lagerfeuer, rechts steht der Geschichtenerzähler und links sind die Australien Football Fans)


Wir hatten allerdings Glück: Der Geschichtenerzähler verstand das Spektakel ringsum als Herausforderung und erzählte trotzdem und eine der Geschichten fand ich so süß, dass ich sie erzählen möchte: (nur kurz noch zur Veranschaulichung: so schön war das Wetter heute: so strahlend blauer Himmel, dass man die Gebäudeschatten in der Luft sehen konnte, und dementsprechend Handschuhe-und-Schal-kalt)
Eines Tages wurde einem der hiesigen Aborigine-Stämme ein Kind anvertraut, das sich gerade im "Alter der Verantwortung" (circa acht Jahre) befand und bei ihnen lernen sollte, namens Cubra. Als die Jäger am nächsten Tag aufbrachen, ließen sie deshalb Cubra zurück und sagten ihm, er solle auf das Lager aufpassen. Es war ein sehr heißer und trockener Tag und Cubra bekam furchtbaren Durst, also ging er zum Wasserloch und trank und trank und trank, bis das ganze Wasserloch leer war. Als die Jäger später nach hause kamen - müde, staubig und durstig - wollten sie trinken, aber das Wasser war alle. Als sie erfuhren, dass Cubra es ausgetrunken hatte, bestraften sie Cubra: er wurde im Dunkeln in die Büsche geführt und musste dort alleine die Nacht verbringen, während die anderen um ihn herum gruselige Geräusche wilder Tiere nachahmten.
Am nächsten Tag sagten die Jäger: "Es tut uns leid, dass wir dich bestrafen mussten, aber du musst lernen, das Wasser zu teilen." Er wurde wieder zurückgelassen, um auf das Lager aufzupassen, während die Jäger auf die Jagd gingen. An diesem Tag war es noch heißer und trockener als am vorherigen Tag und Cubra bekam wieder Durst, noch mehr als gestern, aber er hatte angst vor der Bestrafung. Also füllte er das Wasser, das sich in dem Wasserloch gesammelt hatte, in eine Schüssel und kletterte auf einen Eukalyptusbaum in der Nähe.
Als die Jäger an diesem Tag ins Lager zurückkehrten - noch durstiger als gestern - fanden sie weder Cubra noch Wasser. Nach langem Suchen entdeckten sie Cubra in dem Baum und riefen: "Cubra, komm herunter!" Doch Cubra sagte: "Nein, ich komme nicht herunter. Und ich hab all euer Wasser!"
Sie konnten ihm nicht hinterher klettern und sie konnten keine Speere nach ihm werfen, weil sie damit das Wasser verschüttet hätten, also riefen sie nochmal. Und Cubra weigerte sich weiter, herunter zu kommen, also begannen sie, ihre Knüppel nach ihm zu werfen. Und sie trafen ihn überall, bis er die Schale fallen ließ, sie sie auffingen und endlich trinken konnten.
Und sie sagten "Cubra, jetzt komm herunter." Aber Cubra hatte angst vor der Strafe und kam nicht herunter. Und dann begannen Cubras Ausgen größer zu werden, seine Hände wurden zu Klauen und auf seiner Haut wuchs Fell und er wurde der erste Koalabär.
Diese Geschichte erklärt zum Einen, warum der Koalabär nicht trinkt (tatsächlich bedeutet Koala auch "trinkt nicht") und nicht von seinem Baum herunterklettert, zum Zweiten, wie man Koalas jagt (nur mit dem Knüppel, nicht mit dem Speer) und soll zum Dritten ermahnen, wie man sich in einer Dürre verhält: Wasser einteilen und vor allem teilen.
Ich mag diese Art von Geschichten.

Und weil heute der Geburstag der Queen und das in Australien ein Nationalfeiertag ist (übrigens im Gegensatz zu Ostern, Pfingsten und Himmelfahrt), wurde nachmittags (sehr zur Freude der hiesigen Vögel) "High Tea" (Nachmittagstee) serviert, also bin ich danach durch den Botanischen Garten gewandert und hatte Nachmittags-Earl-Grey-Tee mit Blick auf den See (in dem immer noch das grüne Zeug wächst, das jetzt aber langsam herbstlich braun wird).