Samstag, 15. September 2012

Ein kleiner Umweg Tag 2

Nachdem ich gestern Abend mit dem Gedanken "Oha, das ist ja ganz schön laut hier im Hof, ich hoffe, ich kann da überhaupt schlafen" eingeschlafen bin und zehn Stunden lang geschlafen habe wie ein komatöser Stein, bin ich heute morgen hundemüde und mit Kopfschmerzen aufgewacht, was mir kurz seltsam erschien, bis ich die zehn Stufen zum Frühstückssaal nach oben gegangen bin und völlig außer Puste war. Da kam ich dann auf die Idee, mal nachzusehen, wie hoch Bogotá eigentlich liegt: 2600 Meter. Ab da habe ich mich etwas langsamer durch die Gegend bewegt und ein paar Liter Wasser getrunken und dann ging es wieder. Das erklärt allerdings, warum es hier dichter am Äquator und trotzdem angenehm kühl ist.

Heute hatte ich mal einen richtigen TouristInnentag: ich bin nach Zipaquirá gefahren, eine der ältesten Siedlungen in ganz Nord- und Südamerika, in der es eine Salzmine gibt, in der sich eine Kirche befindet - eine der größen TouristInnenattraktionen von ganz Kolumbien.
Und weil das das Einzige war, was ich heute vorhatte, dachte ich mir, ich spare mir die 50 Dollar für das Taxi und fahre mit dem Bus. Und man glaubt es nicht: der öffentliche Nahverkehr hier ist großartig. Durchorganisiert, regelmäßig, günstig und nicht überfüllt und da die Busse eine Extraspur auf der Straße haben, auch ziemlich pünktlich. Es gibt ein paar Eigenheiten (der Bus rollt schon los, während man einsteigt und überall unterwegs im Nichts an der Straße werden Menschen eingesammelt), aber ich war begeistert.

In Zipaquirá bin ich erstmal eine Weile durch die Straßen gestiefelt und habe einen Kaffee getrunken. Und ich muss es kurz sagen: der Kaffee hier dröhnt so richtig. Der costaricanische war ja schon gut, aber nachdem ich hier eine Tasse getrunken hatte, haben mir eine halbe Stunde lang die Hände gezittert. Ich werde diesen Kaffee vermissen.















Als nächstes ging es an die eigentliche Aufgabe: die Salzkirche finden. Man sollte meinen, die größte Sehenswürdigkeit der Gegend wäre irgendwie ausgeschildert, aber ich bin hier schließlich nicht mehr in Australien. Nachdem ich die gesamte historische Innenstadt etwa anderthalb mal abgelaufen hatte - ohne Spur von der Salzkirche - habe ich eines der Schulmädchen gefragt, die überall heraumgelaufen sind (war natürlich eine blöde Idee). Die hat mich zu einer sehr hübschen Kirche geschickt, die aber überhaupt nichts mit Salz zu tun hatte. Also habe ich nochmal gefragt und wurde diesmal in die richtige Richtung geschickt.

Die Salzmine ist großartig; ein riesiges Salzlager mit einem Quadratkilometer Fläche und 200 Metern Tiefe, das schon von den UreinwohnerInnen der Gegend genutzt wurde; die haben Salzwasser eingekocht, bis es dicke runde Salzfladen ergeben haben, die sie zum wohlhabendsten Stamm der Gegend gemacht haben.
Dann wurde es industriell abgebaut (während dieser Zeit kam übrigens Alexander von Humboldt her, der sich das ganze missbilligend angesehen und prophezeit hat, dass die Abbauweise zu ineffektiv und instabil ist) und weil die Minenarbeiter sehr gläubig waren, haben sie in der Mine eine Kirche gebaut, in der sie gebetet haben. Da nebenbei immer noch Salz abgebaut wurde, erwies sich die Konstruktion (wie Humboldt vorhergesagt hatte) als zu instabil und die Kirche wurde geschlossen.
Es wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben für die Neugestaltung der Kirche, an dem ungefähr 150 Leute teilgenommen haben, und heute besteht das Ganze aus mehreren Ebenen: der ältesten, obersten, der mittleren, touristisch genutzten und der tiefsten, in der immer noch Salz abgebaut wird (heute aber, indem Wasser in den Salzstein gepumpt wird - 150 Tonnen pro Woche!).
Die einzelnen Kammern, die früher mit Dynamit in den Berg gesprengt wurden, erzählen heute die Geschichte der Kreuzigung in fünfzehn Abschnitten.
 Von dort aus geht es weiter in die alte Kirche der Arbeiter, die sogar mit mehreren Beichtstühlen ausgestattet ist, was lustig ist, weil die Akustik in der Höhle so gut ist, dass man einfach alles überall hören kann.
Der Höhepunkt sind die drei großen Hallen: eine mit dem größten unterirdischen Kreuz der Welt, das so groß ist, dass man es in den Stein hinein gemeißelt hat (statt aus dem Stein heraus), weil es sonst mit diesen Maßen zu schwer gewesen wäre, die Halle mit dem Salzwasserfall, der immer noch einen Zentimeter pro Jahr wächst und die Halle mit den Relieffen.
Und dann kommt man noch an den putzigen Zwischenhallen vorbei, in denen sie beweisen, dass sie Humor haben: eine ist eine Treppe mit 42 Stufen (links), die steil nach oben führen, von der gesagt wird, dass man, wenn man oben erschöpft ist, offenbar sehr sündig war: je erschöpfter, desto sündiger. Und die Halle der Reinigung (rechts), die von einem Engel symbolisiert wird, der oben über einem Labyrinth sitzt: wenn man ein reines Gewissen hat, darf man den direkten Weg nehmen, wenn nicht, muss man durch das Labyrinth.
Hm, das war jetzt ziemlich viel über diese Kirche, aber sie sieht wirklich einfach wunderschön aus; jede Vertiefung in dem Stein füllt sich langsam mit Salz, sodass überall schwarz-weiße Muster in den Wänden sind.

Danach bin ich nur noch zum Aussichtspunkt geklettert und habe mir dann endlich mein Mittagessen an einem der Straßenstände geholt: ein viereckiges, gelblichweiß-rotes Paket. Die rote Schicht stellte sich nicht überraschend als Guaven-Gelee heraus, die gelblichweiße war allerdings nichts Süßes, sondern Käse, aber trotzdem: zusammen hat es echt gut geschmeckt.

Dann war es Zeit, nach hause zu fahren; ich habe mir meine Busse zurück gesucht, hatte kurze Panikattacken, weil an dem Bus nicht das dran stand, was meiner Meinung nach daran stehen sollte (aber hier noch etwas Gutes an den hiesigen Bussen: innen steht auf einer Anzeige nicht nur die nächste, sondern auch noch die übernächste Station. Nimm das, Melbourner Nahverkerssystem!). Ich war dann auch so erledigt, dass ich mir nur noch etwas zu essen (das geht hier relativ einfach: man geht in ein Restaurant und bestellt das vegetarische Gericht, das sie haben; heute eine riesige Portion Bohneneintof) und zum Nachtisch eine meiner Lieblingsobstsorten (Jackfruit, heißt hier Guanabana) gesucht habe und dann ins Hotel zurück gewankt bin.















Noch ein kleiner Nachtrag zu der Ticketgeschichte: unser Tourguide hat heute unsere Rundmail geschrieben, woraufhin ich ihm geantwortet habe (ich hatte vorher seine Adresse nicht), dass ich doch noch gut angekommen bin und dass es hier in Kolumbien sehr schön ist, woraufhin er zurückschrieb "Es tut soooo gut, zu hören, dass du gut angekommen bist. Ich habe den armen Kerl an der Rezeption noch ungefähr eine Million mal angerufen, um nachzufragen, ob du doch noch zurück in das Hotel kommen musstest, weil du kein Ticket bekommen hast." Schon bemerkenswert, dass mein costaricanischer Tourguide sich wesentlich mehr darum kümmert, ob alles gutgegangen ist, als meine deutsche Flugbuchungsgesellschaft.