Unterwegs hat uns unser Guide etwas
ziemlich Cooles erzählt: Costa Rica hat keine Armee mehr. 1949 stieg
der Präsident auf das Dach der Armeekaserne und demontierte
höchstpersönlich die Zinnen des Gebäudes mit einem
Vorschlaghammer. Der Platz heißt seitdem Platz der Demokratie, Costa
Rica hat die Ersparnisse in das soziale System und die Bildung
gesteckt und jetzt ist es das wohlhabendste Land von ganz
Mittelamerika.
Erster Stopp war ein Rastplatz, wo wir
unsere ersten Kostproben einheimischen Essens bekommen haben: haarige
Lychees, pflaumenförmige rot-gelb-grüne Früchte, die nach Apfel
schmecken, frische Kokosnuss und ganz viele Süßigkeiten aus
eingedickter süßer Milch und Kokos, Guavengelee und was sich sonst
noch so finden lässt. Das war aber nicht der eigentliche Grund,
warum wir dorthin gefahren sind: nachdem wir auf eine Brücke
gewandert waren, fanden wir darunter im Schlamm fünfundzwanzig
Krokodile (wir haben gezählt), die bis zu dreieinhalb Meter lang
waren. Und jedes Mal, wenn sich eins bewegt hat, war es eine echte
Attraktion.
Kurze Zeit später standen wir dann
erstmal im Stau. Das costaricanische FBI hatte die Straße vor uns
abgesperrt und nichts ging mehr. Also haben wir die Zeit genutzt und
unsere Mitreisenden etwas näher kennen gelernt. Und hier das
Lustige: außer uns nur Frauen. Alle. Aus Großbritannien, Kanada und
den USA, insgesamt sechs außer uns und nur Frauen. Wir fanden es
lustig.
Nach langer, langer Fahrt kamen wir
dann in unserem kleinen Schildkrötenhilfszentrum an, das ganz
paradiesisch an einem riesigen, breiten Strand liegt, bekamen erstmal
Mittagessen (Reis und Bohnen) und dann ging es los: Einführung in
das Leben hier (kein Alkohol, kein Essen im Zimmer, Mücken überall
und Unterkunft nur in Vierbettzimmern) und dann der interessante
Teil: die Schildkröten. Man arbeitet hier immer nachts und zwar
entweder in Vierstundenschichten im Brutzentrum (wo man alle fünfzehn
Minuten die Nester kontrolliert und schlüpfende Schildkröten zum
Meer bringt) oder in Strandpatrouillen, wo man nach Nestern sucht und
neue Nester ausgräbt und sie im Brutzentrum in Sicherheit bringt).
Wir wurden für die erste Nacht gleich
für eine null bis vier Uhr Schicht im Brutzentrum eingeteilt, was
dann aber wieder geändert wurde, weil in dieser Nacht Babys
schlüpfen sollten und wir noch absolut keine Erfahrung hatten, also
wurden wir stattdessen für die Strandpatrouille eingeteilt, was dann
wiederum geändert wurde, weil zu unserer eigentlichen Zeit ein
großartiges Gewitter über dem Strand niederging.
Wir waren also am „Was um alles in
der Welt machen wir eigentlich hier“-Tiefpunkt angelangt, als wir
mit einer extrem unfreundlichen Kolumbianerin und unserem Tourguide
zusammen auf Strandpatrouille gingen und von ungefähr hundert
verschiedenen Aren Blutsaugern angefallen wurden.
Das durfte dann mein Besuch machen:
erst ein neues Loch von der gleichen Größe wie das alte buddeln und
dann einzeln und vorsichtig, Ei für Ei das gesamte Gelege
hineinlegen und es dann wieder zuschütten (mit Zaun drum Bild links). Nebenbei haben wir uns
mit der Kolumbianerin unterhalten, die überraschenderweise sehr,
sehr nett war – nachdem sie uns nicht mehr für völlig unfähig
gehalten hat.
Danach, gegen elf Uhr, war unsere
Arbeit beendet, wir waren von oben bis unten voll mit schwarzem
Schlamm, aber glücklich wie ein Honigkuchenpferd. Überhaupt eine
Schildkröte bei der Eiablage zu finden ist schon unverschämtes
Glück, aber das dann noch bei der ersten Patrouille – das geht
kaum noch zu toppen.
Wieder im Zimmer stellte sich heraus,
dass es sich trotz immer noch extrem schwülwarmer Luft, ohne
Klimaanlage und mit kaputtem Ventilator doch ganz gut schlafen lässt,
wenn man gerade ein Schildkrötennest umgesetzt hat. Um zwölf und um
vier sind dann unsere Zimmergenossinnen raus zu ihren Schichten
gegangen, man wird kurz wach, wünscht sich viel Glück (wenn sie
zurückkommen, fragt man, ob sie etwas gefunden haben, aber bisher
ist nichts geschlüpft) und schläft dann einfach weiter. Und freut
sich, dass man hier ist (rechts unser Arbeitsweg zum Schildkrötenbrutzentrum).