Freitag, 6. Juli 2012

Die Ameisenmenschen

Heute habe ich beschlossen, aufzuhören, Cairns hinterherzutrauern und etwas zu unternehmen, das Spaß macht. Am Federation Square ist derzeit eine Ausstellung von den beliebtesten Videospielen (mit über hundert Spielen, die man spielen kann!), also wollte ich mir das mal ansehen, traf allerdings auf eine brodelnde Masse aus ungefähr hundert kleinen Kindern am Ticketschalter (sind gerade Schulferien?) und bin dann lieber woanders hingegangen. Unterwegs habe ich dieses Schild gefunden ("Die Krümel sind für die Ameisen - Bitte nicht mit nach hause nehmen")
und dachte mir, da muss ich doch nachher mal rausfinden, was es damit auf sich hat.

Stattdessen war ich also in einer Ausstellung eines australischen Landschaftsfotografen aus dem 19. Jahrhundert (lustigerweise in Berlin geboren) voller Bäume, Brücken und Schiffe und - und das war das Positive - UreinwohnerInnen. Fred Kruger war einer der Unterstützer der UreinwohnerInnen und als eines der früheren Schutzreservate geschlossen werden sollte, weil die Farmer ringsherum feststellten, dass das Land fruchtbar war, und es sich aneignen wollten, und anfingen, Lügen über die EinwohnerInnen zu verbreiten, hat Kruger angefangen, Fotos von dem Reservat und den Menschen dort zu machen und zu verbreiten, um zu zeigen, wie es dort wirklich aussieht (es wurde übrigens trotzdem geschlossen. Die Geschichte der UreinwohnerInnen in Australien).

Und wie ich um eine Ecke bog, stand ich plötzlich nicht mehr in der Fotografieausstellung, sondern in einer Abteilung für moderne australische Kunst, aus der ich kurz zwei Dinge zeigen muss; der Fleischerladen ist eine Arbeit von einem Künstler, der früher als Prothesenformer im Krankenhaus gearbeitet hat und deshalb für seine Detailgenauigkeit berühmt ist und sich in seinen Arbeiten meistens für Tierrechte einsetzt.




Das Zweite ist auf den ersten Blick ziemlich erschütternd, aber ich muss es kurz erklären. Im Jahr 2000 gab es einen großen "Sorry"-Marsch, bei dem sich die AustralierInnen für die Verbrechen gegen die UreinwohnerInnen in den 200 Jahren zuvor entschuldigt haben und der damalige Premierminister hat sich geweigert, daran teilzunehmen. Später hat sich der (selbe oder nächste, ich weiß es nicht genau) dann doch noch entschuldigt und daraufhin wiederum gab es eine neue Aktion der UreinwohnerInnen, die ein riesiges Lichtarrangement vor dem Parlament aufgebaut haben, das sagte "Entschuldigung ist nur der erste Schritt" (im Sinne von: nur weil er sich jetzt entschuldigt hatte, waren damit noch lange nicht alle Ungerechtigkeiten beseitigt oder vergessen). Seitdem ist ein Sorry (ohne Zusammenhang) in Australien mit der ganzen Ungerechtigkeit gegen UreinwohnerInnen verbunden. Wenn also auf diesem Bild einfach steht "Mir tut es nicht leid", weiß man sofort, dass es sich auf diese Sache bezieht - und im Grunde sagt dieses Bild, dass es dem Menschen nicht leid tut (was also extrem rassistisch ist). War aber natürlich nicht so gemeint, sondern meint folgendes: dieses ganze Bild ist im Stil eines Farbblinden-Sehtests angelegt: jemand, der farbenblind ist, kann die Unterschiede zwischen den einzelnen Buchstaben und dem Hintergrund gar nicht erkennen, nur wer Farben unterscheidet (im symbolischen Sinne: Hautfarben unterscheidet), erkennt überhaupt die Aussage. Für jemanden, der farbenblind (also, nicht rassistisch) ist, existiert diese Aussage gar nicht. Ich fand es großartig.

Und wie ich zurückkam, fand ich sie, die Ameisen :)
 
Abends habe ich noch etwas ziemlich Cooles gefunden: indigenes Ausdruckstanz-Theater! Von einer Gruppe, die sich nur aus Menschen mit indigenem Hintergrund zusammensetzt und sich auch um die Ausbildung neuer Geschichtenerzähler einsetzt. Da ich sowieso Schwierigkeiten habe, bei Ausdruckstanz zu erkennen, was gemeint ist, war ich bei dieser Kombination aus Ausdruckstanz und traditionellem Aborigine-Tanz ziemlich ratlos, aber es war sehr schön anzusehen :)